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Gespräch
zwischen Dr. Peter Huemer und Franz Zadrazil im Februar
1988
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H: Herr Zadrazil,
die dümmste Frage sollte man gleich am Anfang stellen:
Wollen Sie mit Ihrer Malerei etwas ausdrücken?
Z: Eigentlich nein.
Ich male mir eine Welt, die ich gerne hätte. Das
ist aber keine bewußt übermittelte Botschaft,
ich mal das einfach. Das Hauptgewicht liegt für mich
in der Problematik der absoluten, konkreten Malerei, der
Bewältigung von Farbe und Form. Das Inhaltliche ist
in erster Linie Transportmittel für meine Malerei.
H: Nun, Sie haben
- darf man das sagen? - als malender Chronist begonnen,
als einer, der ein vorhandenes Stadtbild wiedergibt. Mittlerweile
ist das kaum mehr möglich, mittlerweile mußten
aus den Bildern Montagen werden, das heißt, ein
Haus setzt sich aus mehreren Häusern zusammen, weil
sich die Stadt, seit Sie malen, so verändert hat.
Z: Ja, das ist ein
Phänomen, daß diese Architektur, die ich male,
radikal verschwindet, nicht nur bei uns, das passiert
international. Es war aber nie meine Absicht, etwas zu
dokumentieren oder festzuhalten, schon gar nicht für
die Nachwelt. Das ist eine andere Situation als bei Canaletto,
wo das Malen die einzige Möglichkeit war, zu zeigen,
wie ein bestimmtes Schloß zu einer bestimmten Zeit
ausgeschaut hat. Durch Film und Foto besteht ja für
chronistische Malerei keine Begründung und Notwendigkeit
mehr. Die Notwendigkeit, das zu malen besteht einfach
nur für mich. Ich will die Motive einfach haben,
es ist eine Sammlerleidenschaft, es ist das eine Besitzergreifung
durch Ermalen, so wie die Höhlenbewohner magisch
von ihren Jagdtieren Besitz ergriffen haben, als sie sie
an die Wände ihrer Behausungen malten.
H: Ihre Sujets gibt
es immer seltener. Hängt das damit zusammen, daß
die Sujets real verschwunden sind, oder damit, daß
sich Ihre Ansprüche geändert haben. Auch Ihre
Arbeitsweise?
Z: Die Ansprüche
werden natürlich immer extremer, weil die "Sammelobjekte"
immer seltener werden. Ein Gut wird umso kostbarer, je
seltener es ist. Die Leidenschaft des Sammeins wird gesteigert,
Fälschungen treten auf... In diesem Sinn fälsche
ich auch, ich erfinde meine eigenen Bilder.
H: Es ist nicht zu
übersehen, daß Sie genau malen. Wenn ich's
recht verstehe, nehmen Sie den Begriff der Genauigkeit
in einem übergeordneten Sinn in Anspruch, nicht aber
als Genauigkeit im technischen Sinn, das heißt,
das ist keine Malerei, die sozusagen mit der Lupe passiert.
Z:Überhaupt nicht.
Das ist nicht mein Geschäft. Wenn die Bilder einen
präzisen Eindruck machen, dann hoffentlich durch
ihre Stimmigkeit. Ich finde sie frei und locker gemalt.
Die "Technik" ist mir auch gar nicht wichtig.
H: Es ist eine Genauigkeit
im übergeordneten Sinn.
Z: Wenn es so ist,
freut es mich.
H: Es mag vielleicht
banausisch klingen, aber ich habe mich immer wieder gefragt,
ob der Mondrian nicht irgendwann erschöpft war von
seinen farbigen Vierecken. Bei Ihrer Art zu malen gibt
es sicher diese Gefahr nicht.
Z: Nein, die Gefahr
besteht nicht. Aber sicher war früher der "chronistische"
Zug, die Freude am Auffinden von Skurrilitäten, stärker
ausgeprägt. Jetzt geht es mehr darum, die Mondrianschen
Rechtecke malerisch zu bewältigen.
H: Gehen wir zu den
Anfängen zurück. Das fängt also mit einem
Gymnasiasten an, der im Zeichnen einen Einser hatte und
der Maler werden wollte, und die Eltern waren sicher dagegen.
Z: Es war nicht nur
für meine Eltern, es war auch für mich unvorstellbar,
Maler zu werden. So weit ich mich erinnere, habe ich während
der Schulzeit nie diesen Wunsch an meine Eltern herangetragen,
es nur einmal auf der Fahrt in die Ferien, etwa mit 16,
einer Zugsbekanntschaft, einer älteren Dame, als
definitiv dargestellt, worüber sie wahrscheinlich
weniger erstaunt war als ich selbst. Es war also eine
Traumvorstellung von mir. Bei meinem ersten Besuch im
Kunsthistorischen Museum, mit 14 etwa, da habe ich auf
der halben Stiege umgedreht, weil einfach die Ehrfurcht
vor dem, was jetzt auf mich zukommen sollte, so groß
war. Diese Ehrfurcht ist auch heute noch da. Ich seh mich
bei jedem Stück, das ich male, mit der Tradition
konfrontiert und seh mich auch in einer Kette mit ihr.
Also, wie gesagt, Maler zu werden, das war ganz weit weg.
Und gleich nach der Matura, nachdem mein Notendurchschnitt
für einen Bahnhofsvorstand nicht ausgereicht hat,
bin ich zur Post gegangen und hab dann mit dem Malen zeitweise
sogar ganz ausgesetzt. . .
H: Aber Sie haben
doch die Akademie besucht?
Z: Ja, nach Zureden
von Freunden war ich dann in der Hausner-Klasse, in der
es spannend war, ein sehr produktives Konkurrenzverhältnis.
Der Hausner hat es sehr geschickt verstanden, daß
wir uns gegenseitig hochgeschaukelt haben.
H: Sie sind dann wieder
zur Post gegangen.
Z: Ich war die ganze
Zeit während des Studiums bei der Post.
H: Also, die Bilderbuchgeschichte
vom malenden Werkstudenten.
Z: So ist es. Ich
bin heute sehr froh, daß ich damals bei der Post
war, auch aus Gründen der eigenen Disziplin. Später
hab ich immer wieder unbezahlte Urlaube genommen und war
dabei unabhängig vom Kunsthandel, durch die Möglichkeit,
wieder zur Post zurück zu können.
H: Nun, mittlerweile
leben Sie von der Malerei. Kann man zur finanziellen Situation
der Maler in Österreich überhaupt etwas sagen,
außer der Banalität, daß es den meisten
ziemlich schlecht geht und manchen geht es gut?
Z: Erstens ist dazu
zu sagen, daß nach dem beliebten Klischee jeder
Maler arm sein sollte; so wird er gewünscht, dazu
mit Bart, wenn geht mit fehlendem Ohr, frierend im Nordlichtatelier.
Der Traum, wie einst bei Van Gogh um eine Flasche Rotwein
ein Bild zu kaufen, ist noch nicht ausgeträumt, das
kann ich Ihnen sagen.
Zweitens ist klar, daß es neben den Fragen der künstlerischen
Qualität- die sich übrigens nicht immer negativ
auf den Verkaufserfolg auswirken muß - sehr vom
persönlichen Geschick, sich mit der Gesellschaft
zu arrangieren abhängt, wie gut einer über die
Runden kommt. Oft mag eine vom Künstler selbst erwünschte
Distanz so ein Arrangement erschweren. Merke: Grundsätzlich
ist der Käufer nicht als bösartig zu betrachten.
H: Haben Sie den Eindruck,
daß gerade die Malerei in Österreich in einer
besonders schwierigen Situation ist, im Vergleich zu anderen
Künsten?
Z: Wir bilden uns
ein oder es wird uns eingeredet, daß wir ein Musikland
sind. Deshalb wird hier die Frage nach einer nichtautorisierten
Kadenz immer wichtiger sein als die, warum am Karlsplatz
nur mehr die Kirche stört.
H: Also reden wir
von Ihrer Beziehung zur Stadt. Ich will das präzisieren:
Wir haben einmal über den Streit um die Otto-Wagner-Brücke
in Gumpendorf gesprochen und Sie haben damals den Standpunkt
vertreten, es sei eigentlich schon egal, man könne
sie auch wegreißen, es ist rundherum sowieso schon
alles ruiniert. Da hatte ich den Eindruck a) einer besonderen,
b) einer besonders verletzten Beziehung zur Stadt.
Z: Diese besondere
Beziehung basiert auf meinem Gefühl, bedingungslos
Städter zu sein. Die Notwendigkeit zu wissen, daß
um das ohnehin selten verlassene Atelier sich eine Großstadt
befindet. Das mit der Brücke: Gerade diese Gegend
war für mich immer einer der letzten Plätze,
der Strahlung hatte, wo Wien eine Ausnahmeerscheinung
unter anderen Großstädten war, ein Kristallisationspunkt.
Da gab es den Vergnügungspark, die Nachtcafes mit
den Pianospielern, den Eislaufplatz, die Bordelle, das
farnüberwachsene Wienflußbett - Inkarnation
des für mich gültigen Großstadtbildes
- Fallada und Döblin hätten da gut drüber
schreiben können.
H: Sie sind in dieser
Gegend aufgewachsen und das ist eine Erfahrung, die jeder
von uns macht, wenn er mittlerweile die 40 überschritten
hat, daß sie ihm das, was seine Heimat war und wo
er sich zu Hause gefühlt hat, mittlerweile ruiniert
haben.
Z: Ja, ja, darunter
leide ich auch.
H: Hat Ihre Malerei
etwas mit diesem Verlustgefühl zu tun?
Z: Auf jeden Fall.
Da kommen wir zum Anfang zurück, zur Sehnsucht, zur
"Suche nach der verlorenen Umgebung". Übrigens,
obwohl dort nicht aufgewachsen, tut's mir um die Pariser
Hallen genauso leid wie um Gaudenzdorf. Es geht mir auch
um den Verlust einer geistigen, nicht nur der örtlichen
Heimat.
H: Das heißt,
diese Heimat kann überall sein. Sind Sie deswegen
nach Paris gegangen, um dort zu malen?
Z: Gemalt hab ich
nicht in Paris. Mein Skizzenbuch ist ja der Fotoapparat.
Ich hab nicht gemalt, ich hab gesucht.
H: Wie schaut denn
dieser Vorgang des Suchens aus?
Z: Es ist eine mühsame
Aktion. In Paris hat sich das so abgespielt, daß
ich mit der Metro an die Endstationen, an die Peripherique
gefahren und von dort zu Fuß ins Zentrum zurückgegangen
bin.
H: Sind Sie am Weg
zurück Boulevards gegangen oder Seitenstraßen?
Z: Nach Gefühl,
wenn eine Straße verlockend ausschaut, gehe ich
sie. Da kommt es oft zu Verirrungen . . .
H: Das hat was unglaublich
Erotisch-Voyeuristisches.
Z: Sicher. Um dem
etwas entgegenzuwirken, gehe ich nicht gern durch echte
Slumgegenden. Ich schau den Leuten nicht gerne in die
Küche, ich bleibe in der Gegend des Gerade-noch-Bürgertums,
wo es noch Grenzen für den Eindringling gibt.
H: Wie schaut denn
das für den Voyeur aus, wenn er etwas findet?
Z: Es ist aufregend
für ihn. Für den Außenstehenden muß
das unbegreiflich sein: dieses Glück bei jedem neuen,
fast unsichtbaren Fund, diese Begeisterung beim hundertsten
Rollbalken, beim tausendsten Geschäftsschild - das
ist sicher pathologisch.
H: Ich nehme an, die
Kriterien, nach denen ein Objekt ein Fund ist, sind sprachlich
relativ schwer einzufangen. Es ist sicher schwer zu beschreiben,
warum dieses abgeblätterte Haus spannend ist, und
dieses abgeblätterte Haus gänzlich uninteressant.
Z: Ja, das ist wirklich
schwer. Man kann hier vielleicht den Jüngerschen
Begriff der "Subtilen Jagd" zitieren, der unter
anderem die sensible Arbeit des Insektenforschers beschreibt,
wo es ja auch um ungeheuer feine Wertigkeiten geht. Ich
glaube aber, daß sich die echten Fundstücke
durch besondere Dichte auszeichnen. Sie müssen Chiffren,
Kürzel für individuelle Lebensweisen sein, quasi
"Weltbildsuppenwürfel".
H: Das heißt,
es sollte eine gewisse Abstraktion drinnen sein?
Z: Es soll mehr sein
als das eine Stück, eines, das für viele andere
steht.
H: Wie geht es denn
jetzt rein technisch weiter, wenn ein solches Objekt vom
Sammler ausfindig gemacht worden ist?
Z: Ich fotografiere
diese Dinge schwarzweiß, hab dann Negativ-Dias,
aus welchen ich meine Bilder zusammensetze, ich projiziere
sie auf einen Malgrund, um dort eine relativ flüchtige
Zeichnung davon zu machen. Es sind eher nur Anmerkungen,
Konstruktionshilfen. Danach ist das Foto für mich
vergessen. Dann gilt es nur mehr ein Bild zu malen nach
meinen Vorstellungen von der Malerei.
H: Die Fotografie
als Hilfsmittel für die Maler galt lange Zeit als
anrüchig. Ich bin mir nicht ganz sicher, ob das nicht
ein bißchen auch heute noch der Fall ist. Darum
war ich verblüfft, daß Sie das so demonstrativ
erklärt haben.
Z: Optische Hilfsmittel
haben eine uralte Tradition in der Malerei: von der gerasterten
Glasplatte Dürers über die Laterna Magica Canalettos
bis zum Prisma Rudolf von Alts, ganz zu schweigen von
den in der klassischen Moderne verwendeten Fotovorlagen.
Ich glaube, daß erst durch die exzessive Verwendung
des Fotos durch die Hyperrealisten, die oft das Foto dazu
verwendeten, um ein Foto zu malen, das Projizieren einen
suspekten Beigeschmack bekommen hat. Für mich ist
Foto immer nur Krücke.
H: Eben. Wir sind
jetzt dort, wo der Vorgang des Malens einsetzt und der
führt ja vom Foto in die entgegengesetzte Richtung.
Z:
Führt in die Malerei hinein. Nicht zuletzt deswegen
bin ich nach Paris als die Stadt der "peinture"
gegangen. Braque ist ein großes malerisches Vorbild
für mich, dessen schwere, dichte Farbigkeit ich zu
erreichen versuche. Ich brauche die Freude am Motiv nur,
um es die ein, zwei Monate der Arbeit daran auszuhalten.
Ich kann eben kein blaues Bild mit rosa Linien malen,
sehr wohl eine blaue Fassade mit einer rosa Neonfigur
davor.
H: Könnte man
sagen, daß das ein anderer Weg ist, zu einer anderen
Art von abstrakter Malerei zu kommen?
Z: Ja, aber das ist
natürlich ein Paradoxon, denn die Bilder zeigen ja
augenscheinlich einen Gegenstand. Vielleicht kommt man
weiter, wenn man sich die Schriften arabisch geschrieben
und die Bilder verkehrt gehängt denkt, dann sind
wir schon näher beim Mondrian. So wie Baselitz -
mag sein aus anderen Gründen - seine Gegenstände
auf den Kopf gestellt malt. Je länger ich an einem
Bild arbeite, umso unwichtiger wird der literarische Inhalt.
H: Der Maler entfernt
sich beim Malen immer weiter vom Gegenstand?
Z:
Ja. Das Rüberbringen von Inhalten außer den
Malerischen ist nicht notwendig.
H: Reden wir trotzdem
noch einmal vom Inhalt. Wie stehen Sie zu dem, was jetzt
weltweit unter dem Begriff "Stadtreparatur"
läuft?
Z: Na ja, das ist
eine problematische Sache. Selbst auf die Gefahr hin,
nun vollends als Berufsnostalgiker dazustehen: meine alte
"Cafe Europa-Torberg-Hupen-Taxi-Gehsteigkärntnerstraße"
wird durch die "Kugellampen-Bäumchen-Pommes
frites Wolken-Reisegruppen-Fußgängerzone"
schwer zu ersetzen sein. Ich wette mit Ihnen, daß
sich mindestens 12 mitteleuropäische Fußgängerzonen
nur an ihren verschiedenen Pommes frites unterscheiden
lassen. Der Zug, die Stadt zu "vergemütlichen"
mit wenig Verkehr, Verkehrsberuhigungswahnsinnigkeiten
wie Granitsteinfestungen um magere Bäumchen, wie
zum Endkämpf bastionierte Parkanlagen und Stuttgarter
und andere Schwellen ...
H: Das heißt,
Sie sehen da eine gewaltsame Idyllik, eine falsche Idyllik
und ein Eindringen des Dorfes in die Stadt?
Z: Ja. Ich seh das
ganz im Sinn der Lego- und Reinigungsmittelwerbung. Alles
ist adrett und fein. Und ich kann einfach nicht an ein
Quartier Latin glauben, das per Dekret aus der Schönlaterngasse
geworden sein soll; oder, daß ein ebenso dekretiertes
Künstlerviertel wie der Spittelberg mehr als nur
drittklassige Keramik hervorbringen kann. Eine Großstadt
kann man nicht gemütlich machen. Da ist mir lieber
Moloch als Lego-City.
H: Ihre Bilder sind
erkennbar Stadtbilder, aber sie sind ohne Menschen, das
heißt, die vorkommenden Menschen sind leblose Werbemanderln
auf Fassaden, gleich Zitaten, die sozusagen das Vorkommen
von Menschen erahnen lassen.
Z: Ich weiß
von Bildbetrachtern, daß sie von meinen Bildern
oft den Eindruck haben, den manche Filme durch die Aufnahmen
leergefegter Straßen auch vermitteln, aber denken
Sie an Vorstadtstraßen Sonntag Mittag. Ich glaube,
es fehlen eher die Autos als die Menschen. Ich glaube
zudem, daß der Mensch mehr vertreten ist als durch
sein Abbild, das übrigens in den meisten Fällen
ein sehr naives, eher liebevolles ist. Die abgebildeten
Architekturen sind ja jeweils von jemandem errichtet worden.
Und wenn ich gut genug gemalt habe, müßte ein
Schattenbild dieser Menschen entstehen, etwa so, wie wenn
ein Kind mit Graphitstift ein Papier schraffiert, das
eine Münze bedeckt. So ist es nicht notwendig, daß
vor einem Wiener Gebäude Hans Moser herumgeht und
über die Metrostiegen Lino Ventura heraufkommt. Diese
magischen Möglichkeiten, die Schatten einzufangen,
verlieren sich dann allmählich bei den Gründerzeithäusern
mit ihrem Serienkitsch, bei denen sich aber immerhin noch
der Bäckermeister aus dem Musterbuch seines Baumeisters
die Kariatyden mit den größeren Brüsten
ausgesucht hat, weil er ja auch die größeren
Semmeln macht.
H: Für mich haben
Ihre Bilder etwas Beunruhigendes. Haben Sie mit Ihrer
Geschichte, mit Ihrer Erinnerung zu tun?
Z: Absolut. Das sind
Erinnerungen an meine Kindheit. Ich habe jahrelang in
einer ausgebombten Wohnung mit Löchern in der Decke
und mit Pappe-verschalten Fenstern mit Zellophangucklöchern
gewohnt. Das war sicher prägend.
H: Und war das damals
schön, oder ist es erst in der Erinnerung schön
geworden?
Z: Ich habe das nie
gewertet. Es war einfach so. Das war meine Umgebung, die
durch Mangel an Vergleich nie in Frage gestellt war und
durch ihren "Abenteuerspielplatzcharakter" ihre
Qualitäten hatte, wo es keinen Spannteppich zum dreckig
machen oder abbrennen gegeben hat.
H: Besteht da nicht
die Gefahr einer falschen Idyllik, so in Richtung fröhlicher
Armut?
Z: Immer noch besser
als die Großfeld-Siedlung.
H: Wir gehen also
davon aus, und das sind wir uns einig, daß die Schrecknisse
einer Satellitenvorstadt mit Spannteppich für viele
Menschen, auch für Sie, wesentlich beträchtlicher
sein können, als die Schrecknisse eines ziemlich
kaputt gewohnten Gründerzeithauses mit Wasser und
Klo auf dem Gang. So weit sind wir uns einig. Nur die
Frage ist jetzt: besteht eigentlich eine legitime Möglichkeit,
diese abgewohnten Gründerzeithäuser mit der
aufgepickten Hausherrenfassade zu idealisieren?
Z: Mir gefallen sie,
aber jeder soll wohnen, wie er will. Das ist klar. Aber
weil Sie zu Anfang nach einer Botschaft in den Bildern
gefragt haben: Botschaft gibt es natürlich keine,
aber vielleicht einen Hinweis an die Stadtreparierer,
sorgfältiger, persönlicher und materialechter
an die Arbeit zu gehen.
H: Sie werden von
möglichen Käufern immer wieder mit der Frage
konfrontiert: "Herr Zadrazil, könnten Sie die
Bilder nicht auch kleiner malen?"
Z: Aus zwei Gründen
nicht. Erstens aus einem trivialen technischen Grund,
weil das kleine Format mir bei meiner doch eher lockeren
Malweise nicht entgegenkommt, zweitens, weil es seinen
Zweck nicht erfüllen würde. Es würde verniedlichen,
verlegoisieren". Am liebsten würde ich 1 : 1
malen, dem stehen aber schlichte Platzgründe entgegen.
H: Das heißt,
Sie müßten noch größer malen?
Z: Ich müßte
noch größer, noch lockerer malen.
H: Haben Sie sich
je mit Bühnenbild befaßt?
Z: Nein, sieht man
davon ab, daß ich mit einer Bühnenbildnerin
verheiratet bin. Ich bewundere aber die Arbeit der Bühnenbildner
und könnte mir das ganz gut vorstellen.
H: Letzte Frage: Gibt
es eine Chance, die Stadt, soweit sie kaputt ist, anders
als in der Kunst wiederzubegründen, kann man sie
wiederherstellen?
Z: Nein, aus vielen
Gründen nein. Das sind eben tempi passati.
H: Zusammengefaßt:
Was hin ist und was weg ist, ist hin und weg und ist nicht
wiederherstellbar?
Z: Richtig.
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